TUM Alumna Dr. Silke Maurer

Dr. Silke Maurer, Chief Operating Officer (COO) MTU Aero Engines und Alumna der Technischen Universität München (Bild: Astrid Eckert/TUM) .

Alumni in Führung
Silke Maurer – Managerin mit Leib und Seele
„Von meinen internationalen Teams konnte ich sehr viel lernen”
14. Nov. 2023  |  
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Silke Maurer ist mit Leib und Seele Managerin. Bei mehreren großen Unternehmen von der Automobilbranche über die Haushaltsgeräteindustrie bis zum Triebwerkshersteller bekleidete sie verantwortungsvolle Posten. Dabei entwickelte sie ein Talent dafür, die richtigen Leute an die richtige Stelle zu bringen und Prozesse in erfolgversprechende Bahnen zu lenken. Die Leitung von Teams überall auf der Welt, von Spanien bis China, prägte ihre Sicht auf Führung nachhaltig.

Gleichzeitig ist für Silke Maurer klar: Die Freude sollte in allem, was man tut, nicht zu kurz kommen. Sie ermutigt dazu, bewusst Herausforderungen anzunehmen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Mit ihrer eigenen Laufbahn zeigt sie, dass dieser Ansatz zu einem erfüllten und spannenden Berufsleben führen kann.

Frau Maurer, Sie sind Top-Managerin in der deutschen Industrie. War das schon immer Ihr Karriereziel?
So etwas wie einen Karriereplan hatte ich nicht. Ich habe nie den Wunsch formuliert, dass ich Vorstand werden will. Aber ich habe mich schon immer sehr dafür interessiert, wie Menschen funktionieren und welche Bedingungen nötig sind, damit sie gut zusammenarbeiten. Ich habe sehr früh für mich verstanden, dass ich Teil des Ganzen bin und dort wo Menschen wirklich auf Augenhöhe zusammen arbeiten eins und eins plötzlich drei gibt.  Diese Denkweise prägt meinen Arbeitsalltag bis heute.
Was meinen Sie damit?
Als Führungskraft bin ich Teil meines Teams. Ich stehe nicht darüber. Ich bin ein Teil des Geflechts an Menschen, die für den Erfolg eines Projektes oder einer Abteilung zuständig sind. Zudem ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen in diesem Team gut zusammenarbeiten können. Ich glaube, ein Teil meines Erfolgsrezeptes ist, dass ich strategisch Teams zusammenstellen kann. Ich erkenne relativ schnell, wer was gut kann und wie ein effektives Team für ein bestimmtes Projekt aussehen muss.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Mir war es immer wichtig, über Nähe zu führen. Das hat schon mal zu Unverständnis bei meinen Vorgesetzten geführt. Einer meiner Chefs hat mir mal geraten, ich soll immer den konstruktiven Abstand zu meiner Mannschaft halten. Drei Nächte lang habe ich darüber gegrübelt und dann entschieden: „Nein. Das bin ich nicht. Das kann und will ich nicht.“ Ein Jahr später kam er zu mir und hat sich für den Ratschlag entschuldigt. Er dachte, ich könne mit meiner nahen Führung keine klaren Ansagen machen und keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen. Aber tatsächlich konnte ich es und ich tat es auch.
Ihre erste Führungsrolle bekamen Sie bei BMW, da waren Sie gerade 29 Jahre alt. War das für Sie eine Herausforderung?
Auf jeden Fall. Ich war, wie Sie sagen, recht jung und musste auf einmal eine Truppe von 18 Leuten aus unterschiedlichen Fachgebieten führen. Die Menschen in diesem Team waren zwischen 26 und 63 alt und in alle möglichen verschiedene Projekte involviert. Eine sehr diverse Situation. Diese Zeit hat mich grundlegend geprägt. Natürlich habe ich Fehler gemacht. Ich habe viel darüber gelernt, was beim Führen nicht funktioniert. Aber ich hatte einen tollen Chef, der mich gut begleitet und unterstützt hat. Ehrlich gesagt war das aber nichts gegen meine Zeit in Italien.
Drei Jahre haben Sie für BMW oder genauer Husqvarna Motorcycles in Italien gearbeitet.
Als dort angefangen habe, dachte ich noch etwas naiv: Das ist ja immer noch BMW und nur 500 Kilometer auf der anderen Seite der Alpen. Aber dann habe ich festgestellt, wie anders die Arbeitskultur in einem anderen Land sein kann.
Inwiefern hat Sie dieses Erlebnis als Managerin verändert?
Ich habe gelernt, noch genauer hinzusehen. Am Anfang habe ich vieles ähnlich gemacht wie ich es in Deutschland gelernt und erprobt hatte. Ich habe aber in Italien ein ganz anderes Ergebnis erhalten. Zunächst war ich perplex und ratlos, aber dann habe ich das Ganze, wie ein Experiment betrachtet. Was habe ich getan und wie hat es gewirkt? Welche Variablen kann ich verändern? Irgendwann hatte ich den Dreh raus. Entscheidend war, dass ich nicht gesagt habe: „Die sind hier doof, denn hier klappt nicht, was sonst immer funktioniert hat.“ Ich habe hinterfragt, warum bestimmte Dinge an diesem Ort anders laufen. Und ich habe die Antworten auch dann akzeptiert, wenn sie nicht in mein eigenes Erfahrungs- und Wertesystem gepasst haben. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viele Teams auf der ganzen Welt betreut: in Spanien, in China, in der Türkei, in Polen. Von meinen internationalen Teams habe ich immer sehr viel lernen dürfen.
Zum Beispiel?
Dass die deutsche direkte Art zu Verhandeln nicht immer zum Erfolg führt. Wie wichtig zwischenmenschliche Begegnungen am Arbeitsplatz sind. Dass es meistens mehr als einen Lösungsweg gibt, mit dem man ein gutes Ergebnis erzielen kann. Viele der Länder hatten zudem, deutlich höhere Anteile an Frauen in Führungspositionen als hier in Deutschland. In der Türkei zum Beispiel hatte ich das Gefühl, dass die Frauen den Anspruch haben, wenn sie bereits viel Zeit und Kraft in das Studium investiert haben, dann wollen Sie dafür karrieremäßig etwas zurückbekommen.

Bild: Astrid Eckert/TUM

Silke Maurer hat viele Teams auf der ganzen Welt betreut: in Spanien, in China, in der Türkei, in Polen.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach, dass die Situation in Deutschland so anders ist?
Das Rollenbild für uns Mütter und damit die Teilzeitfalle spielt eine große Rolle. Natürlich müssen wir auch überdenken, welche Anforderung wir an Führungsrollen haben. Aber ich finde auch, dass viele Frauen in Deutschland sich zu viel darüber einen Kopf machen, wie sie allein möglichst allen anderen gerecht werden und dann die offensichtlich Konsenslösung „Teilzeit“ wählen. Natürlich ist es absolut in Ordnung, wenn man sich dafür entscheidet, zu pausieren oder im Job zurück zu stecken. Aber man sollte diese Entscheidung ganz bewusst und für sich nicht für andere treffen. Wenn einen der eigene Job begeistert, dann ist es völlig in Ordnung, mehr Verantwortung übernehmen zu wollen.
Sie sind selbst Mutter einer Teenager-Tochter: Wie haben Sie Karriereentscheidungen getroffen, als ihr Kind klein war?
Ich hatte immer – und habe es heute noch – ein ausgeprägtes Bedürfnis mitzugestalten, an etwas mitzuwirken, Situationen zu verbessern, zu einer Weiterentwicklung beizutragen. Deswegen – und um finanziell unabhängig zu sein – war es für mich immer wichtig, weiter berufstätig zu sein. Und meine Erfahrung und mein Wissen waren natürlich auch gefragt. Gleichzeitig habe ich aber darauf geachtet, dass das Arbeitspensum am Ende für mich machbar ist und meine Familie nicht zu kurz kommt. Ich habe zum Beispiel klar kommuniziert, dass ich Termine vor halb neun nicht wahrnehmen kann. Frühstücken wollte ich exklusiv mit meiner Tochter, das war ein wichtiges Ritual für uns. Und diese Regel wurde überall ganz gut akzeptiert. Manchmal habe ich einen blöden Spruch kassiert. Das ist einfach so. Aber wenn zu mir jemand gesagt hat, „Karriere machen mit Kind, das geht doch nicht“, dann habe ich mir nur gedacht: „Das sind deine Grenzen und nicht meine.“
Würden Sie sich selbst als mutig beschreiben?
Ich war schon immer eher ein Typ, der nicht unbedingt den leichtesten Weg wählt. Aber nicht, weil ich so wahnsinnig mutig wäre. Eigentlich ist meine Komfortzone relativ eng. Aber für mich war es immer wichtig, meinen Horizont zu erweitern und etwas Neues zu entdecken. Mir wird schnell langweilig. Ich brauche es, dass sich etwas verändert, dass mein Leben spannend bleibt.
Wählen Sie Ihre Herausforderungen bewusst aus?
Ich finde, dass bei allem, was man tut, die Freude nicht zu kurz kommen sollte. Ich frage mich oft, was mich motiviert. Wofür stehe ich jeden Tag auf und gehe gerne in die Arbeit. Ich habe mir immer Jobs gesucht, bei denen ich dachte: Das kenne ich noch nicht. Ich weiß nicht genau, wie ich das machen soll. Aber es hört sich irgendwie spannend an (lacht).
War das der Grund, warum Sie als junge Frau beschlossen haben, an der TUM Maschinenbau zu studieren?
Sie meinen, in den neunziger Jahren, als es fast keine Frauen in diesem Studiengang gab (lacht). Ehrlich gesagt, wollte ich eigentlich Biochemie studieren, aber NC 1,0 sah nach sehr sehr viel Arbeit aus. Also wurde es Maschinenwesen an der TUM mit dem Plan später die Spezialisierung in Chemieingenieurwesen zu wählen. Bis zum Vordiplom hatte ich allerdings so viel Spaß am Fach entwickelt, dass ich einfach dabeiblieb.
Sie haben sich an der TUM auch als Studierendenvertreterin engagiert. Wie kam es dazu?
Ich war damals schon länger in der Fachschaft Maschinenwesen tätig, als man mich eines Tages fragte, ob ich für den Senat kandidieren will. Das schien mir eine ganz spannende Aufgabe zu sein. Sie wissen schon: „Kenne ich noch nicht, weiß ich nichts drüber, hört sich aber interessant an“. Also habe ich mich aufstellen lassen und wurde gewählt. Das war übrigens gerade zu der Zeit als Wolfgang A. Herrmann neuer Präsident der TUM wurde. Ein ehrgeiziger Mann, aber immer sehr korrekt. Das habe ich an ihm geschätzt.
Was haben Sie gelernt in dieser Zeit?
In sehr, sehr hohem Tempo sehr, sehr große Berge von Unterlagen durchzusehen und die zwei oder drei Sätze herauszufiltern, in denen die Musik spielt (lacht). Und ewig lange Sitzungen zu ertragen. Das ist etwas, das mich heute schon irgendwie für einen Vorstandsjob qualifiziert (lacht). Und ich habe gelernt, wie wichtig ein gutes Netzwerk ist. Wen ruft man an, wenn man eine bestimmte Information braucht? Wen kann man in schwierigen Angelegenheiten um Hilfe bitten? Wer kann einem mit seiner Erfahrung weiterhelfen?
Auf dem Dies Academicus 1995 haben Sie eine flammende Rede als Studierendenvertreterin gehalten.
Ehrlich? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was ich genau gesagt habe (lacht).
Sie haben zum Beispiel kritisiert, dass es an der TUM zu wenig Austausch über die Fachgrenzen hinweg gibt.
Naja, das muss man in einen Kontext setzen. Natürlich hatten wir an der TUM schon damals im Vergleich zu anderen Universitäten breite Wahlmöglichkeiten. Einfach dadurch, weil die TUM so groß war und es viele gute Professorinnen und Professoren gab. Aber trotzdem war es natürlich so, dass wir die Elektrotechnik-Vorlesung bei dem Professor für Elektrotechnik und die Physik-Vorlesung bei dem Professor für Physik hatten. Dazwischen gab es relativ wenig Austausch. Und schon damals war uns klar, dass wir nach dem Studium draußen auf eine andere, auf eine vernetztere Welt stoßen würden. Darauf wollten wir uns vorbereiten. Heute ist das an der TUM ja viel besser gelöst und mit der neuen School-Reform, die Präsident Thomas F. Hofmann umsetzt, wurden noch einmal konkret die Weichen dafür gestellt, dass der Austausch zwischen den Fächern vielfältiger ist und die Ausbildung an der TUM interdisziplinärer wird. Ich finde es übrigens toll, dass es an der TUM jetzt viel mehr internationale Studierende als früher gibt. Das wird den jungen Leuten dabei helfen, schon im Studium regelmäßig über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Es ist doch sehr bereichernd für eine Universität eine solche Diversität leben zu können.
Waren Sie selbst während des Studiums im Ausland?
Leider nein. Und wenn ich etwas bereue, dann ist es, dass ich kein Auslandssemester gemacht habe. Ich würde das heute wirklich jedem Studierenden empfehlen. Man lernt, an einem Ort zurechtzukommen, wo alles anders ist als zu Hause. Das stärkt einen fürs Leben. Und am Ende weiß man auch wieder mehr zu schätzen, was man zu Hause hat.

Dr. Silke Maurer, Alumna der Technischen Universität München (Astrid Eckert/TUM).

Dr. Silke Maurer

Diplom Maschinenwesen 1997

 

Silke Maurer ist Chief Operating Officer und damit Mitglied des Vorstands bei dem bayerischen Triebwerkshersteller MTU Aero Engines. In den neunziger Jahren studierte sie Maschinenwesen an der TUM und schloss das Studium 1997 mit Diplom ab.

Während der Studienzeit engagierte sie sich unter anderem als Studierendensprecherin im Senat. Darauf folgte der berufliche Einstieg bei BMW, wo sie mehrere leitende Funktionen bekleidete, unter anderem für zwei Jahre bei Husqvarna Motorcycles in Italien.

Ihre Doktorarbeit machte Silke Maurer berufsbegleitend an der Cranfield University in Großbritannien. Nach der letzten Station in der BMW Group bei Rolls Royce Motor Cars kam sie im Februar 2017 zur BSH Home Appliances Group, wo sie in verantwortlichen Positionen mit Firmenstandorten aus aller Welt zu tun und zuletzt die Position des Chief Operating Officer inne hatte. Sie verließ das Unternehmen für die Position des Chief Operating Officer bei Webasto. Im Februar 2023 startete sie ihre Karriere bei MTU Aero Engines.

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Dieser Artikel ist Teil der Ausgabe 1/2023 des TUM Alumni Magazins KontakTUM.

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