Porträtbild von Sarah Fleischer

TUM Alumna Sarah Fleischer ist Gründerin des Unternehmens tozero (Bild: tozero).

Junge Talente
Gründerin Sarah Fleischer
„Gründen ist einfach, aber das Durchhalten ist schwierig”
22. Mrz 2024  |  
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Lithium kommt in Europa kaum vor, wird aber dringend für die Energiewende gebraucht. Ein Problem, das TUM Alumna Sarah Fleischer mit ihrem Start-Up lösen will. Tozero ist eines der ersten Unternehmen in Europa, in dem Lithium-Ionen-Batterien recycelt werden. An der Firma der jungen Gründerin ist deshalb sogar Bundeskanzler Olaf Scholz interessiert.
In einem Gewerbegebiet in Karlsfeld bei München steht auf einem Bürotisch ein Behälter im Einmachglas-Look – inklusive rot-weiß-kariertem Deckel. Nur, dass sich darin keine hausgemachte Marmelade befindet, sondern Lithium. Revolutionäres Lithium. Recyceltes Lithium. „Weißes Gold – made with love in munich”, nennt es Sarah Fleischer.

Die TUM Alumna ist eine der Gründerinnen von tozero, eines der ersten Start-Ups in Europa für das Recycling von Lithium-Ionen-Akkus, für dessen Technologie sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz interessiert. Der Grund: Lithium entwickelt sich gerade zu einem der wichtigsten Rohstoffe der Welt, wichtiger als Öl und Gas, kommt aber in Europa kaum vor. Und ohne Lithium wird es schwierig mit den Smartphones und der Energiewende, mit den E-Autos und Solaranlagen. Es fehlen die Abbaugebiete und es fehlt an effizienter Technologie, mit der aus alten Batterien hochwertiges Lithium zurückgewonnen werden kann.

Tozero soll die europäische Antwort auf dieses Lithium-Problem sein. Für die Gründerin Sarah Fleischer ist das Unternehmen aber gleichzeitig auch die Antwort auf die Frage: „Halte ich es aus, wieder zu scheitern?“

Porträtbild von Sarah Fleischer und Dr. Ksenija Neumann.
Sarah Fleischer und ihre Mitgründerin Dr. Ksenija Milicevic Neumann auf dem tozero Day: Der Feier zum einjährigen Bestehen von tozero. (Bild: tozero)
DAS ERSTE START-UP NACH DEM BACHELOR

Tozero ist Sarah Fleischers dritte Firma. Nach ihrem Bachelor in Maschinenwesen gründete die TUM Alumna ihr erstes Start-Up: einen Online-Shop für deutsche Babyprodukte in China. Ein Jahr später folgte ein Serviceunternehmen, das Luxusgüter an chinesische Touristen in Europa vermittelt. Beide Start-Ups scheiterten. Das erste, weil die Visionen von Sarah Fleischer und ihrer Mitgründerin zu sehr auseinander gingen, das zweite an mangelnder Finanzierung. „Danach bin ich in ein tiefes Loch gefallen, denn Scheitern ist in der deutschen Gesellschaft sehr schwierig”, sagt Sarah Fleischer heute.

Fast sechs Jahre lang sagte sie deshalb erstmal Nein zu neuen Gründungsangeboten. Beim nächsten Mal sollte es sich lohnen, sollte Sinn hinter dem Projekt stecken, nicht nur Geld: „Zu gründen ist einfach. Durchzuhalten, durch die Ups and Downs zu gehen, das ist das Schwierige”, erklärt die TUM Alumna.

Sarah Fleischer konzentrierte sich also erstmal darauf, ihren Master in Maschinenwesen an der TUM zu absolvieren. Ihr Engagement für innovative Projekte hielt jedoch an. Während ihres Studiums beteiligte sie sich an einem studentischen Team, das an Elon Musks Studierendenwettbewerb ‚Hyperloop Pod Competition‘ teilnahm. Als einzige deutsche Gruppe schafften sie es unter die dreißig Besten. Das Selbstbewusstsein kam langsam wieder und einige Jahre später auch eine Begegnung, die sie dazu ermutigte, ihren Unternehmergeist vollständig wiederzubeleben.

Aus dem Nichts etwas Neues schaffen zu können, das ist einfach unglaublich.

Sarah Fleischer

DER MUT ZUM GRÜNDEN UND ZUM SCHEITERN

Im März 2019 arbeitete Sarah Fleischer gerade als Beraterin für die nationale Weltraumagentur von Luxemburg (LSA), als sie bei einem Social Networking Dinner Dr. Ksenija Milicevic Neumann kennenlernte. Noch am selben Abend unterschrieben die beiden Frauen auf einer Serviette einen Vertrag mit dem Versprechen, dass sie irgendwann zusammen gründen werden: „We will conquer the universe together”, stand da.

Drei Jahre später klingelte bei Sarah Fleischer das Telefon. Ksenija Milicevic Neumann, die an der RWTH Aachen die Grundlagen für die spätere Recyling-Technologie von tozero erforschte, war am Telefon und sagte: „Hey Sarah, du bist verpflichtet, mit mir zu gründen, falls du es vergessen hast, ein Scan der Serviette liegt in deiner Inbox.” Sechs Monate tüftelten die beiden daraufhin neben ihren Vollzeitjobs an der Gründer-Idee für tozero, fanden heraus, ob ihre Visionen zusammenpassten, planten die Finanzierungsrunde.

Sarah Fleischer wurde klar, dass tozero etwas sein könnte, wozu sie endlich wieder Ja sagen könnte. Etwas, was zu ihren Wurzeln als Maschinenbauingenieurin passte. Etwas, für das sich das Scheitern wieder lohnen würde, weil es potentiell die Welt zum Guten verändern könnte. „Die größte Hürde bei weiblichen Gründerinnen ist, den Mut zu haben, auch mal etwas Verrücktes zu machen, auch wenn man Angst hast oder denkt, dass man noch nicht so weit ist“, sagt Sarah Fleischer.

Bild: tozero.

Als CEO von tozero wurde Sarah Fleischer im Februar 2024 von Olaf Scholz als Impulsrednerin zum vierten Treffen der Allianz für Transformation eingeladen – einem Dialogformat, bei dem die Bundesregierung mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft zusammenkommt, um darüber zu sprechen, wie der sozial-ökologische Wandel in Deutschland gelingen kann. Bei der kurz darauf stattfindenden Veranstaltungsreihe „Werkstatt des Wandels“ traf sie auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier (Bild: tozero).
VON MIETFREIEN SCHREIBTISCHEN ZUM INTERNATIONALEN TEAM

Die ersten Vorstellungsgespräche für ihr Unternehmen hielten die beiden Gründerinnen noch in den kostenlosen Büros des Munich Urban Colab der UnternehmerTUM im Münchner Kreativquartier ab. Mittlerweile arbeiten bei tozero siebzehn Menschen aus zehn verschiedenen Ländern. Im Eingang der Büroräume hängt eine Karte, deren Pins zeigen, wie international das Team ist: USA, Kanada, Türkei, Frankreich, mehrere skandinavische Länder. „Wir haben Menschen von fast jedem Kontinent bei uns beschäftigt“, sagt Sarah Fleischer.

International zu denken, verschiedene Perspektiven zu haben, das war für Fleischer schon immer wichtig. Ihr Abitur machte sie an der Deutschen Schule Shanghai, ihre Bachelorarbeit schrieb sie an einer Uni im Oman, ihre Masterarbeit an der Harvard Business School in den USA und an der TUM leitete sie den Deutsch-Chinesischen Alumni-Club, vernetzte Studierende mit Unternehmen und organisierte chinesische Neujahrs-Feiern. „Meine Clique an der TUM war damals schon komplett international und divers, das habe ich mir auch für mein Team gewünscht ”, sagt sie.

VON KARLSFELD IN DIE WELT

Für tozero sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter extra nach München gezogen. Genauer gesagt nach Sauerlach. Dort entstand im März 2023 die erste Prototyp-Anlage, nachdem die Gründerinnen in ihrer ersten Finanzierungsrunde 3,5 Millionen Euro für ihr Start-Up einsammelten. Bereits nach zwei Monaten wurde die 100 Quadratmeter große Produktionshalle zu klein. Jetzt sitzt tozero in Karlsfeld und produziert in einer größeren Halle sekundäres Lithium.

Hier werden die Batterien recycelt und Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Graphit gewonnen. Bevor es zur Besichtigung dieser Halle geht, sitzt Sarah Fleischer in weißem Kittel, Schutzbrille, Helm und Handschuhen in dem mit grünem Kunstrasen und hellem Holz ausgekleideten Umkleideraum, zieht sich Überzieher über ihre Schuhe und sagt: „Aus dem Nichts etwas Neues schaffen zu können, das ist einfach unglaublich.”

TUM Alumna Sarah Fleischer

Sarah Fleischer (Bild: tozero)

Sarah Fleischer

Bachelor Maschinenwesen 2014, Master Maschinenwesen 2019

 

Ihren Bachelor- und Masterabschluss in Maschinenwesen absolvierte Sarah Fleischer an der TUM, dort leitete sie auch den Deutsch-Chinesischen Alumni Club. Sarah Fleischer ist Fellow des Center for Digital Technology and Management (CDTM) – eines gemeinsamen Forschungs- und Lehrinstituts der TUM und LMU. Ihre Masterarbeit schrieb sie an der Harvard Business School.

Zusammen mit Dr. Ksenija Milicevic Neumann gründete Sarah Fleischer 2023 tozero: Europas erstes Start-Up, das Lithium-Ionen-Batterien recycelt. Durch den Recyclingprozess werden alle in der Batterie enthaltenen kritischen Materialien, wie Lithium, Graphit, Nickel, und Kobalt auf nachhaltige Weise zurückgewonnen. Für das Start-Up sammelten die Gründerinnen in der ersten Pre-Seed-Finanzierungsrunde 3,5 Millionen Euro ein und konnten so eine erste Prototyp-Anlage in München bauen.

Bevor Sarah Fleischer tozero gründete, war sie Lead für kommerzielle Strategie und Partnerschaften bei dem deutschen Logistik-Start-Up Forto. Davor war sie Beraterin der Luxembourg Space Agency, wo sie den 120 Millionen Euro schweren Early-Stage-VC-Fonds Orbital Ventures ins Leben rief und gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) den ESRIC-Inkubator für Start-Ups einführte.

Ihre Erfahrungen gibt Sarah Fleischer auch als Mentorin im Programm TUM Mentoring von Alumni für Studierende weiter.  Im April 2024 wird sie bei der Veranstaltung zum 15. Jubiläum des Frauennetzwerks Women of TUM als Rednerin auftreten. Das Netzwerk besteht aus über 19.000 Studentinnen, 130 Professorinnen und 40.000 Alumnae.