Von der Uni in den Orbit
Der Präsident zu Besuch beim TUM Start-up Isar Aerospace
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Nach einer kurzen Sicherheitsunterweisung und Ausstattung mit Sicherheitsschuhen betritt die Gruppe durch eine schwere Stahltür die Werkhalle. Hier ist aufgrund der vielen Maschinen ein kontinuierliches Dröhnen zu hören. Im Manufacturing bei Isar Aerospace arbeiten rund 70 Personen. Manche sitzen konzentriert an ihrem Arbeitsplatz, feilen Werkstücke oder löten Teile. In anderen Teilen der Halle stehen Gruppen von Mitarbeitenden zusammen, diskutieren eine Materiallieferung oder sind in eine Konstruktionszeichnung vertieft.
Daniel Metzler: Ja, wir sind ziemlich gewachsen. Wir haben im September 2020 die Halle mit nur einer Maschine eröffnet und innerhalb von nur einem Jahr eine komplette, stark automatisierte Produktion zur Fertigung unserer Rakete Spectrum aufgebaut. Damals hatten wir 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jetzt sind es fast 250.
Josef Fleischmann: Für uns war es von Anfang an wichtig, mit neuen Materialien und Technologien kosteneffizienter zu sein als die etablierte Industrie. Unser Fertigungsprozess baut auf einem hohen Automatisierungsgrad und den modernsten Technologien wie der additiven Fertigung und der Verwendung von Kohlefaserverbundwerkstoffen auf. Die komplexesten Teile unserer Raketentriebwerke drucken wir in 3D aus Hochleistungsmetallen. Dadurch erhalten wir eine hohe Designflexibilität und kürzeste Vorlaufzeiten.
Thomas F. Hofmann: Ihr gesamtes Setup ist wirklich ungeheuer innovativ. Sie testen neue Materialien, nutzen neue Produktionswege und kommen zu exzellenten Testergebnissen.
Daniel Metzler: Das ist unser großer Vorteil als Start-up. Wir können schnell und flexibel reagieren. Wir können Mut zum Risiko zeigen, einfach mal etwas ausprobieren und wieder umschwenken. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, die Grenzen des Machbaren zu verschieben und dabei gleichzeitig unübertroffen schnell in der Entwicklung zu sein.
Josef Fleischmann: Hier in unseren Hallen und an unseren unternehmenseigenen Standorten können wir unsere Designs testen und viele Iterationsschleifen einbauen. Das gibt uns sehr früh die Gewissheit, ob Dinge wirklich funktionieren und wir können viele Fehler besser ausräumen, als wenn wir nur auf dem Papier entwickeln würden.
Studierende müssen bei uns den Mut bekommen, Neuland zu betreten, abseits der eingefahrenen Pfade zu denken, um somit zu Pionieren zu werden so wie Sie.
Josef Fleischmann: Ja, das stimmt. In der WARR haben wir uns damals kennengelernt. Wir haben Raketentriebwerke gebaut und damit kleine Testraketen gestartet. Irgendwann kamen Unternehmen auf uns zu, die die Triebwerke von uns kaufen wollten. Da fragten wir uns: Warum will die Industrie Raketentriebwerke von Studierenden kaufen, können die das nicht selbst? Und uns kam der Gedanke, wenn es einen Bedarf für Raketentriebwerke gibt, dann sicher auch für eine ganze Trägerrakete. Dass für die Industrie und Menschheit ein wettbewerbsfähiges und breit aufgestelltes Space-Ökosystem in den kommenden Jahrzehnten entscheidend sein wird, wurde uns schnell klar. Und wir haben auf der anderen Seite gesehen, dass es in Europa bislang noch keinen günstigen und flexiblen Zugang zum Weltraum gab. So war die Idee für Isar Aerospace geboren.
Daniel Metzler: Meine Zeit in der WARR war absolut prägend, das betone ich immer wieder. Hier konnte ich meinem Interesse für Raumfahrttechnik in einem unternehmensnahen Raum nachgehen und Ideen gleich umsetzen. Gerade der Austausch mit den anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe, das Ausprobieren und einfach mal machen, haben meinen Glauben an die Möglichkeiten der Weltraumtechnik und auch den Glauben an uns, dass wir das schaffen, weiter verstärkt. Bei der Gründung von Isar Aerospace konnten wir einige unserer ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die wir durch unsere Zeit bei der WARR kannten, für das Unternehmen begeistern und sie sind seit den frühesten Tag mit an Bord. Bis heute rekrutieren wir aus der Arbeitsgruppe WARR und der Luft- und Raumfahrttechnik der TUM – weil die Ausbildung erstklassig ist.
Thomas F. Hofmann: Und die studentischen Initiativen gehören an der TUM selbstverständlich zur Ausbildung dazu, auch wenn sie nicht Teil des Curriculums sind. Viele der über 50 studentischen Initiativen an der TUM sind sehr aktiv und hoch erfolgreich, unter anderem das TUM Hyperloop oder das TUM Boring-Team, die in den letzten Jahren viele Rekorde gebrochen haben. Wir sind stolz auf all die beeindruckenden Studierendenprojekte, die bei uns entstehen. Das zeichnet unsere Universität aus. Das freie Ausprobieren von Ideen und das gemeinsame Arbeiten an solchen Herausforderungen müssen wir zentral fördern, da sehe ich mich als Präsident in der Pflicht. Studierende müssen bei uns den Mut bekommen, Neuland zu betreten, abseits der eingefahrenen Pfade zu denken, um somit zu Pionieren zu werden so wie Sie.
Lucrezia Veggi: Quasi vom ersten Tag an. Ich war eine der ersten Mitarbeiterinnen bei Isar Aerospace. Ich habe Daniel und Josef noch an der TUM kennengelernt und als ich von der Unternehmensidee erfahren habe, war ich sofort begeistert. Und ich habe natürlich die Möglichkeiten erkannt, die sich hier bieten – nämlich, dass ich an vordersten Front an bahnbrechenden Innovationen mitwirken kann.
Thomas F. Hofmann: Als Gründer leben Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ja auch eine entsprechende Einstellung vor und zeigen, dass sie die Unerschrockenheit haben, Dinge auszuprobieren, die im ersten Moment unmöglich erscheinen. Wir brauchen mehr Menschen in Deutschland und Europa mit einer solchen Einstellung, wenn wir zukunftsfähig und beweglich bleiben wollen. Wie ist es Ihnen gelungen, in so kurzer Zeit so ein tolles Team zusammenzustellen?
Josef Fleischmann: Ganz klar: Ohne die Leidenschaft und Motivation, mit der wir als Team für unser großes Ziel – den ersten Testflug unserer Spectrum-Rakete – jeden Tag hart arbeiten, wären wir nicht da, wo wir jetzt stehen. Das Gründerteam und viele unserer Ingenieurinnen und Ingenieure kennen sich ja bereits aus dem Studium an der TUM und ihrer Mitarbeit in der WARR und sind seit Beginn mit dabei. Ein so großes Projekt gemeinsam aufzubauen, das schweißt zusammen. Und auch die vielen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über die letzten Jahre ins Team gekommen sind, haben sich vor allem deshalb für uns entschieden, weil sie unsere Vision überzeugt hat und sie hier selbst europäische Raumfahrtgeschichte schreiben können. Wir rekrutieren sehr gerne Absolventinnen und Absolventen von der TUM, denn die kommen mit dem richtigen Mindset, wollen anpacken und lassen sich auch von Rückschlägen nicht unterkriegen. Sie dürfen uns gerne noch mehr TUM Alumni schicken (lacht).
Thomas F. Hofmann: Es gehört ja dazu, dass Dinge auch mal nicht klappen und man wieder von vorne anfangen muss. Eine gewisse Frustrationstoleranz ist wichtig für jede Pionierin und jeden Innovator, ob an der Universität, in der Wirtschaft oder anderswo.
Daniel Metzler: Das stimmt. Für uns waren schon im studentischen Projekt Fehler nicht nur Teil der Lernprozesse, sondern ein essenzieller Bestandteil für unsere technischen Entwicklungen. Das ist hier bei Isar Aerospace im Übrigen heute noch so!
Wir sind wahnsinnig stolz darauf, wie weit wir gekommen sind. Trotz allem bleibt es weiterhin eine riesige Aufgabe. Das eine ist die Herausforderung, etwas so Komplexes wie eine Rakete überhaupt zu bauen und funktionstüchtig zu machen.
Josef Fleischmann: Die Konkurrenz ist groß und es handelt sich teilweise um sehr renommierte Unternehmen, aber als Start-up haben wir den Vorteil, dass wir viel mehr ausprobieren können. Wir haben andere Herausforderungen, müssen uns erst etablieren, aber dafür sind wir wendig und scheuen nicht davor zurück, einen komplett neuen Weg auszuprobieren, wenn der erste nicht funktioniert. Unsere fertige Rakete, von der Sie hier einen Teil sehen, wird am Ende im Durchmesser nur zwei Meter breit sein.
Daniel Metzler: Wir sind wahnsinnig stolz darauf, wie weit wir gekommen sind. Trotz allem bleibt es weiterhin eine riesige Aufgabe. Das eine ist die Herausforderung, etwas so Komplexes wie eine Rakete überhaupt zu bauen und funktionstüchtig zu machen. Aber auch auf der Marktebene müssen Unternehmen wie wir in der Weltraum- und Satellitenindustrie nach wie vor viele Hindernisse überwinden. Sei es im Bereich der Finanzierung aber auch in Bezug auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Hier muss noch eine Menge passieren, damit in Europa ein wettbewerbsfähiger Markt entsteht, der nachhaltig einen Beitrag zu technologischer Innovation und Fortschritt leisten kann.
Josef Fleischmann: Ich denke, vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie sehr Satelliten-Technologie schon heute unseren Alltag bestimmt. Sei es im Bereich der Erdbeobachtung, im Klimaschutz oder für die Kommunikation. Erst kürzlich wurde uns allen noch einmal die immense Wichtigkeit vor Augen geführt als Starlink, das Satelliten-Internet von SpaceX, nach der russischen Invasion in der Ukraine seine Technologie zur Verfügung stellte und somit dafür sorgte, dass die Menschen in der Ukraine weiter kommunikations- und handlungsfähig bleiben. Umgekehrt birgt dies natürlich große Risiken, von anderen Unternehmen und Staaten abhängig zu sein. Es ist daher unabdingbar, dass wir in Europa über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um eigenständig Satelliten ins All befördern zu können und Satelliten-Konstellationen aufzubauen – nicht nur, aber auch zur Verteidigung.
Thomas F. Hofmann: Den Naturschutz haben Sie schon angesprochen. Einer der ersten Satelliten, die mit Ihnen in den Weltraum fliegen sollen, kommt von OroraTech, ebenfalls ein Start-up von TUM Alumni. Diese haben sich dem Ziel verschrieben, mit der Satellitentechnologie Waldbrände und Buschfeuer so früh wie möglich zu erkennen. Das fand ich bemerkenswert, dass hier zwei Unternehmen von TUM Alumni zusammenarbeiten.
Daniel Metzler: Wir kennen Thomas Grübler von OroraTech bereits seit vielen Jahren und wir standen über all die Zeit in engem Austausch. Dass es am Ende zu dieser Kooperation kam, hat, denke ich, vor allem mit unserem überzeugenden Konzept und Fortschritt als Unternehmen zu tun und ist ein starkes Zeichen für das Interesse und Vertrauen in die Technologie und Expertise von Isar Aerospace. Natürlich steht diese Kooperation aber auch dafür, was wir gemeinsam verkörpern: Innovation und Know-how für satellitengestützte Anwendungen aus Europa, die das Leben auf der Erde verbessern. Dass wir mit OroraTech gleichzeitig ein Unternehmen als Kunden gewinnen konnten, das von TUM Alumni gegründet wurde, ist für uns etwas ganz Besonderes und steht für das Potenzial und die Innovation des TUM Ökosystems.
Thomas F. Hofmann: Ich halte es in jedem Fall für sehr wichtig, dass wir in Europa eine neue Führungsrolle in Sachen Luft- und Raumfahrttechnologie übernehmen. Nur so können wir die Welt im Ganzen noch besser bewegen und schützen. Im Juli haben wir hier bei Ihnen nebenan in Ottobrunn das erste eigene Gebäude des Departments für Aerospace & Geodesy der TUM School of Engineering and Design eröffnet. Das Department soll in den nächsten Jahren das größte und beste seiner Art in ganz Europa werden. Wie sehen denn bei Ihnen die nächsten Schritte aus?
Daniel Metzler: Momentan befinden wir uns in einer heißen Phase, es stehen weitere Tests unseres selbst designten und entwickelten Antriebs an. Bis zum Start sind wir ganz schön gefordert – sei es, dass wir bei der Entwicklung auf Basis der Testergebnisse Dinge anpassen oder, dass eine bestimmte Genehmigung für die Infrastruktur, die wir brauchen, mal wieder länger dauert als erwartet. Das ist aber nichts, was uns aus der Bahn wirft.
Eine gesunde Portion Respekt gehört dazu. Sonst wären wir ja töricht.
Thomas F. Hofmann: Sie alle sind hoch ambitioniert und haben sie viel vorgenommen. Aber so wie ich Sie heute kennengelernt habe, bin ich überzeugt, Sie werden erfolgreich sein. Machen Sie sich manchmal Sorgen, dass sie es nicht schaffen könnten?
Josef Fleischmann: Eine gesunde Portion Respekt gehört dazu. Sonst wären wir ja töricht. Im Alltag erleben wir auch mal die eine oder andere Frustration, wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben oder es passieren Fehler. Aber mich ermutigt dann immer, dass hier viele Menschen mit Herzblut daran arbeiten, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Wir haben zusammen ein hervorragendes Produkt entwickelt.
Thomas F. Hofmann: Würden Sie denn auch selbst mal in den Weltraum fliegen, wenn Sie könnten? Ich würde das für mich persönlich nicht ausschließen. Es muss bewegend sein, unseren Planeten von oben zu betrachten.
Daniel Metzler: Der Weltraum fasziniert mich. Die Weite, die vielen unerforschten Dinge da draußen – und die vielen Möglichkeiten, die sich aus einem leichteren Zugang zum Weltraum für uns ergeben. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten. Aber meine Fähigkeiten liegen dabei eher im Konstruktiven hier auf der Erde. Ein Weltraumflug steht daher erst einmal nicht auf meiner Prioritätenliste (lacht).