Polly Arnolds Erfolgsrezept als Chemikerin in einem männerdominierten Bereich? „Ich arbeite wirklich hart. Ich hatte immer gute Unterstützung, und ich liebe es“, erklärt sie. „Meine Motivation ist eine Kombination aus Unruhe und Optimismus. Die Unruhe ermöglicht mir, dass ich offen bleibe und Ergebnisse immer wieder in Frage stelle. Mein Optimismus hilft mir, die ungewöhnlichsten chemischen Reaktionen vorzuschlagen.“
Zögernd ergänzt sie: „Aber ich befürchte, es ist für meinen Erfolg auch bedeutsam, dass ich keine Kinder habe.“ Und sie könnte damit Recht haben. Nicht nur in ihrem Heimatland Großbritannien zählen Frauen, die in den MINT-Wissenschaften (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) Karriere machen, immer noch zu einer Minderheit. Auch in Deutschland liegt der Anteil an Professorinnen in den MINT-Fächern gerade einmal bei knapp 13 Prozent. Doch auch für Frauen ohne Kinder gibt es eine Kehrseite. So gibt Polly Arnold zu denken: „Als Frau ohne Kinder, mache ich mir Sorgen, ich könnte als ‚Maschine‘ oder als ‚die aggressive Frau, die niemand mag‘ gesehen werden“ – eine weitere Realität, die zu viele Frauen in ihrem Berufsleben erfahren.
„Unconscious Bias“ oder die unbewussten Vorurteile gegenüber Frauen
Arnold sieht einen wichtigen Grund dafür in unserer Gesellschaft und zwar bei jedem von uns. Männer wie Frauen ziehen Männer im Berufsalltag vor, wenn es um Führungspositionen geht – und das sehr oft völlig unbewusst. Für sie war es schockierend, sich mit diesem „Unconscious Bias“, den „unbewussten Vorurteilen“, zu befassen.
„Das Problem ist, Frauen haben diese Vorurteile genauso“, sagt sie mit Nachdruck. Sich dessen nicht bewusst zu sein, dass man Männer für bestimmte Karrieren oder auch im täglichen Leben bevorzugt, sei das wahre Problem unserer Gesellschaft. „Uns immer wieder an unsere Vorurteile zu erinnern, ist mühsam und langweilig. Aber es ist so wichtig, uns immer genau dann daran zu erinnern, wenn wir Entscheidungen treffen müssen. Vor allem wenn wir gestresst oder müde sind, dann beeinflussen uns unsere Vorurteile noch stärker.“
Was können wir noch tun, um dieses Problem zu lösen? Polly Arnold weiß, starke Mentorinnen und Mentoren, die feministisch denken, sind für Frauen entscheidend. „Wenn man mit Frauen redet, die noch in der Wissenschaft arbeiten, hatten beinahe alle von uns Mentoren, die uns tatkräftig unterstützten und ermutigten“, sagt sie. Sie selbst bezeichnet sich als stolze Feministin und versucht ununterbrochen, die bestmögliche Mentorin für den Wissenschaftsnachwuchs zu sein – insbesondere für den weiblichen.
Wir müssen die Gesellschaft dafür verantwortlich machen. Das Hauptproblem sind unsere unbewussten Vorurteile – nicht nur in der Wissenschaft.
Scientist Sisterhood – ein Netzwerk
Unermüdlich wie sie ist hat die Chemikerin außerdem vor kurzem ein neues Projekt initiiert. “Scientist Sisterhood”: ein Netzwerk für Senior-Forscherinnen in Schottland, das online sichtbar ist. Die Expertinnen können so beispielswiese als Konferenzsprecherinnen über eine Landkarte schnell und ohne viel Recherche gefunden und kontaktiert werden.
Es scheint eine simple Idee, aber ein übergreifendes Netzwerk ist längst überfällig. Frauen machen nur zirca zehn Prozent der Senior-Wissenschaftler an Universitäten, in öffentlichen Einrichtungen und der Industrie in Großbritannien aus. „Diese Frauen können sich in einer Position wieder finden, in der sie die einzige Frau innerhalb eines Bereichs sind und dabei vielleicht ein reines Männerteam leiten“, erklärt Polly Arnold. Ihre Idee ist, dass diese Frauen sich gegenseitig stärken und sich über ein Netzwerk unterstützen, das ihre Exzellenz hervorhebt.
Seit 2013 werden jährlich internationale Gastforschende zu TUM Ambassadors ernannt. Sie finden hier alle TUM Ambassadors auf einen Blick.
TUM-IAS Honorary Hans Fischer Senior Fellow, TUM Ambassador 2017
Professor Polly L. Arnold ist Direktorin der Abteilung für chemische Wissenschaften am Lawrence Berkeley National Laboratory in den USA und Professorin für Chemie an der University of California, Berkeley.
Von 2007 bis 2019 hatte sie hat den Crum-Brown-Lehrstuhl an der School of Chemistry der University of Edinburgh inne. Sie studierte in Oxford und promovierte an der University of Sussex.
Weitere Karrierestufen in ihrem Leben waren das Massachusetts Institute of Technology (MIT) als Postdoc und die University of Nottingham als Lecturer. 2007 ging sie an die EaStCHEM School der University of Edinburgh und erhielt dort 2009 den Lehrstuhl.
Als Hans Fischer Senior Fellow des TUM Institute for Advanced Study war Polly L. Arnold in den vergangenen Jahren mehrfacher Gast im Chemie-Department an der TUM. Während dieser Zeit entwickelte sie eine starke Beziehung zur TUM und unterstützte wichtige Gemeinschaftsprojekte zwischen der TUM und ihrer Alma Mater.
2017 wurde Polly Arnold von TUM-Präsident Wolfgang A. Herrmann der Ehrentitel TUM Ambassador verliehen. In Anerkennung ihrer Verdienste erhalten seit 2013 einmal jährlich ausgewählte internationale Spitzen-Forscherinnen und -Forscher, die als Gast an der TUM geforscht haben, diesen Titel.
Wenn Sie TUM Ambassador und Science Sister Polly Arnold folgen wollen: @ProfArno
Wenn Sie eine weibliche Seniorwissenschaftlerin in Schottland sind, werden Sie #scisister.