TUM Alumnus Philip Häusser.

Noch vor Abschluss seiner Promotion stieg TUM Alumnus Dr. Philip Häusser als Co-Founder in ein Start-up für Medizintechnik ein. Als Chief Technology Officer entwickelt er die Künstliche Intelligenz weiter, mit der das Start-up eine effizientere Behandlung von Herzrhythmusstörungen ermöglicht (Bild: Christian Kaufmann).

Alumni forschen

KI-Experte Philip Häusser

„Man muss sich ins Unbekannte stürzen, um weiterzukommen“

02. Feb 2022  |  
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TUM Alumnus Philip Häusser plante weder eine Promotion noch das Unternehmertum. Doch als sich ihm die Chancen dazu boten, zögerte er nicht. An der TUM war er in guter Gesellschaft, wenn es um das Beschreiten von Neuland ging.
Dr. Philip Häusser war schon immer daran interessiert, den Dingen auf den Grund zu gehen und sie in ihren naturwissenschaftlichen Zusammenhängen zu verstehen. Das Studium der Physik war genau das richtige für ihn. Seinen Bachelor absolvierte er als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Für den Master ging er mit einem Fulbright-Stipendium in die USA. An der University of California in Santa Cruz forschte er an Netzhaut-Implantaten, die blinden Menschen das Sehvermögen zurückgeben sollten. Dabei erkannte er, dass die besten Experimente nichts bringen, wenn die in ihnen erhobenen Datenmengen durch herkömmliche Software nicht vollständig verarbeitet und damit tatsächlich genutzt werden können.

Philip Häusser wollte die Lösung des Problems selbst in die Hand nehmen. „Ich war sofort süchtig“, erinnert er sich. „Das Potenzial, das im sogenannten Deep Learning, also der Künstlichen Intelligenz, liegt, ist enorm.“ Über Online-Lernprogramme versuchte er sich zunächst im Selbststudium Know-how zu maschinellem Lernen und neuronalen Netzen anzueignen. Rasch aber stellte er fest, dass er sich die komplexe Materie über die damals noch raren und teilweise nur schwer zugänglichen Tutorials nicht zufriedenstellend aneignen konnte. Ein Praktikum bei Experten musste her. Philip Häusser stellte seine Arbeit Prof. Dr. Daniel Cremers, dem Leiter des Lehrstuhls für Computer Vision & Artificial Intelligence an der TUM, vor. Der nahm ihn nicht als Praktikant. Er bot ihm eine Doktorandenstelle an.

NEUE PFADE GEHEN

Ab 2014 forschte Philip Häusser gemeinsam mit seinem Doktorvater an künstlichen neuronalen Netzen im Bereich der Computer Vision. Mit FlowNet zählten sie zu den ersten Forscherinnen und Forschern, die die Vorhersage des Optischen Flusses in einer Bildsequenz mit Deep Learning gelöst hatten. Der optische Fluss ist eine wichtige Repräsentation von Bewegungsinformation in frühen Stufen der Bildverarbeitung und wird beispielsweise in der Sichtnavigation von Robotern oder autonom fahrenden Autos eingesetzt. „Im Leben und in der Wissenschaft muss man sich manchmal ins Unbekannte stürzen, um weiterzukommen“, sagt Philip Häusser. „An der TUM traf ich viele Leute, die neue Pfade gegangen sind. Das hat mich nachhaltig beeindruckt und ist bis heute eine ganz wesentliche Inspiration für mich.“

An der TUM traf ich viele Leute, die neue Pfade gegangen sind.

Philip Häusser

Noch bevor Philip Häusser im Jahr 2018 seine Doktorarbeit einreichte, stieg er als Co-Founder in ein Start-up für Medizintechnik ein. Ebenso wenig wie die Promotion hatte er das Unternehmertum geplant. Als der Initiator des Start-ups an der TUM nach Experten für Optical Flow Estimation suchte, stieß er auf Philip Häusser. Der war von der ungewöhnlichen Unternehmensvision sofort begeistert: Mithilfe von Künstlicher Intelligenz sollten die Signale aus dem menschlichen Herzen analysiert werden, um Ärzten eine effizientere Behandlung von Herzrhythmusstörungen zu ermöglichen.

Die Chance, diese innovative Idee in einem kleinen Team von Anbeginn begleiten und vorantreiben zu dürfen, ließ sich Philip Häusser nicht entgehen. Mittlerweile ist er Chief Technology Officer und Geschäftsführer des Start-ups, das mit nunmehr fünfzig Mitarbeitenden und erfolgreichen Finanzierungsrunden der Serie B stetig wächst.

WISSEN FÜR ALLE

Neben seinem Steckenpferd der Künstlichen Intelligenz hat Philip Häusser eine zweite große Leidenschaft. Seit seiner Schulzeit engagiert er sich als Fernsehmoderator, Buchautor und Produzent von Webvideos um der breiten Bevölkerung Wissenschaft auf verständliche und unterhaltsame Weise nahezubringen. „In Deutschland betreiben wir weltweit führende Spitzenforschung, aber wir reden viel zu wenig darüber“, erklärt er. „In manchen Teilen der Gesellschaft entsteht gelegentlich regelrechtes Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, wie es verstärkt während der Corona-Pandemie zu beobachten ist.“

Ob für das ZDF, das BR Fernsehen oder online über YouTube-Kanäle wie Terra X Lesch & Co und Faktencheck – mit vollem Elan präsentiert Philip Häusser Wissensinhalte und verblüffende Experimente. 2021 veröffentlichte er sein zweites populäres Sachbuch. „Ich sehe es als meine Pflicht als Wissenschaftler an, zu erklären, wie all das eigentlich funktioniert – damit das Wissen nicht nur ein paar Leuten vorbehalten bleibt, sondern jede und jeder mitreden kann“, sagt er. „Diese Art von Empowerment ist es, die mich antreibt und motiviert.“

TUM Alumnus Philip Häusser.

Philip Häusser (Bild: Christian Kaufmann).

Dr. Philip Häusser

Promotion Informatik 2018

 

2013 absolvierte Philip Häusser seinen Bachelor in Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 2014 schloss er seinen Master an der University of California in Santa Cruz, USA ab. An der TUM folgte im Jahr 2018 die Promotion im Fach Informatik. Noch bevor er seine Doktorarbeit über neurale Netze einreichte, stieg er als Co-Founder bei Ablacon ein. Das Medizintechnik-Start-up setzt bei der Analyse von Herzrhythmusstörungen auf Künstliche Intelligenz. 2019 wurde es vom Wirtschaftsmagazin Forbes zu den „25 Top Machine Learning Startups To Watch“ gezählt. Philip Häusser ist CTO und Geschäftsführer des Unternehmens, das in München und in Colorado ansässig ist und sein Hauptquartier im Silicon Valley hat.

Neben der Künstlichen Intelligenz ist der Wissenschaftsjournalismus die große Leidenschaft von Philip Häusser. Für seine Arbeit als Wissenschaftsjournalist wurde er mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem 2. Preis des Fast Forward Science Awards in der Kategorie Scitainment sowie mit dem Helmut Fischer Preis für Wissenschaftskommunikation des Deutschen Museums. Wenn Philip Häusser gerade einmal nicht forscht, schreibt oder vor der Kamera steht, spielt er zum Ausgleich gerne Squash und Volleyball.