Seilbahningenieurin Nadine Haas
Natürlich waren Seilbahnen schon vor dieser Reise ein Begriff für die angehende Ingenieurin. In den Bergen beim Skifahren, da waren sie früher ein regelmäßiger Begleiter. Auch in den Vorlesungen während ihres Studiums kamen sie immer wieder vor. Seilbahnen zu konstruieren, das sei so richtig klassischer mechanischer Maschinenbau, sagt Nadine Haas: „Man sieht was passiert, wie alles funktioniert, das ist die Art von Maschine, die mich fasziniert.” Aber in La Paz kam zum ersten Mal eine große Erkenntnis dazu.
Vom Auslandsstudium zum Traumjob
Nadine Haas kam wie sie sagt als „ahnungsloser Tourist” nach La Paz und entdeckte, dass Seilbahnen hier nicht einfach als Sessellift für Skigebiete eingesetzt werden, sondern als vollwertige öffentliche Verkehrsmittel, wie anderswo Bus, Tram- und U-Bahnen. La Paz liegt hoch und hügelig in den Anden und hat viele steile und enge Straßen, ein öffentliches Liniennetz aus Seilbahnen bietet sich hier deshalb an. 2014 baute die österreichische Firma Doppelmayr Seilbahnen GmbH die ersten drei Seilbahnen in der bolivianischen Hauptstadt, ein Jahr später stieg Nadine Haas in alle drei ein und verliebte sich.
„Diese Anwendung von Seilbahnen in Städten hat mich meinen ganzen Master über in meinem Hinterkopf beschäftigt”, sagt Nadine Haas. Also machte sie ein Praktikum beim Seilbahnbauer Leitner, arbeitete sich in die Konstruktion und Planung von Seilbahnanlagen ein, schrieb ihre Masterarbeit beim Maschinenbaukonzern MAN und bewarb sich bei Doppelmayr – für eine Stelle, die gar nicht ausgeschrieben war. „Ich wollte es probieren, weil es mich gestört hätte, wenn ich diese Chance verpasst hätte. Über einen Plan B habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht nachgedacht”, sagt Nadine Haas.
Man sieht was passiert, wie alles funktioniert, das ist die Art von Maschine, die mich fasziniert.
Musste sie auch nicht. Mittlerweile gibt es in La Paz zehn Gondelstrecken und die TUM Alumna arbeitet als Ingenieurin bei Doppelmayr. Während ihres Bachelor- und Masterstudiums engagierte sich Nadine Haas viel in der Fachschaft, übte sich in Kommunikation, Projektmanagement und Teamarbeit. „Das hat mich nachhaltig auf meinen Beruf vorbereitet, da bin ich überzeugt davon“, sagt sie heute. Bei Doppelmayr versucht sie die südamerikanische Begeisterung für Seilbahnen als effiziente und nachhaltige Verkehrsmittel auch nach Europa zu tragen. „Die Seilbahn ist ein sehr umweltfreundliches, leises und sicheres Verkehrsmittel, das wenig versiegelte Fläche braucht und trotzdem viele Personen befördern und Hindernisse überwinden kann”, sagt Nadine Haas.
Beweisen konnte sie das unter anderem 2023 bei der Bundesgartenschau in Mannheim. Als Projektleiterin verantwortete sie eine Seilbahn mit 64 Kabinen, die die drei Millionen Fahrgäste über den Neckar von einer Ausstellungsfläche zur anderen brachte. Von der Ausschreibung über die Genehmigung bis hin zur Ausarbeitung, dem Bau, dem Betrieb und dem Abbau verbrachte Nadine Haas mehr als drei Jahre mit dem Projekt. „Ich kenne jedes Detail, jeden Stein und jede Schraube”, sagt Nadine Haas heute.
Nach der Bundesgartenschau wurde die Seilbahn wieder abgebaut, aber sie hat eine große Begeisterung hinterlassen. „In Mannheim spüre ich, dass die Bevölkerung bereit ist für eine Seilbahn als Verkehrsmittel“, sagt Nadine Haas. „In der Region ist wirklich eine Euphorie entstanden. Dort wird jetzt untersucht, ob Seilbahnlinien dauerhaft umgesetzt werden können.”
Nadine Haas weiß, dass die Seilbahn nicht immer die perfekte Lösung ist, manchmal sind U-Bahnen, Busse, Tram- oder S-Bahnen besser, weil man mehr Haltestellen abdecken will, eine größere Förderleistung benötigt oder andere Anforderungen erfüllen muss. Aber für das Klima, für unsere Nachkommen, für die Zukunft brauche man nun mal eine umweltfreundliche Mobilität, sagt die TUM Alumna. Und dafür sei es wichtig alle Möglichkeiten auszuschöpfen und verschiedene nachhaltige Verkehrsmittel miteinander zu kombinieren. Die Städte würden immer größer, der Mobilitätsbedarf steige immer mehr. Das sei Lebensqualität, um die es da ginge, sagt Nadine Haas. „Die Zeit ist jetzt und der Schlüssel liegt darin, nachhaltige, gesamtheitliche und multimodale Verkehrskonzepte aufzustellen – da gehört die Seilbahn einfach dazu.”
Bachelor Maschinenbau & Management 2015, Master Maschinenwesen 2018
Für das Studium an der TUM entschied sich Nadine Haas damals, weil ihr die Mischung aus Management und Maschinenbau gut gefiel. Sie engagierte sich viel in der Fachschaft Maschinenwesen und war 2017 Mentee im TUM Mentoring Programm von Alumni für Studierende. Im selben Jahr bekam sie außerdem das Deutschlandstipendium der TUM.
Nadine Haas arbeitet beim österreichischen Seilbahnbauer Doppelmayr als Projektingenieurin für Deutschland, Österreich und die Benelux-Länder. Neben der Projektierung von Bergbahnen für Skigebiete und touristische Anlagen, ist sie dort für die Entwicklung von urbanen Seilbahnen als Verkehrsmittel in Städten zuständig.
Für die Bundesgartenschau 2023 (BUGA) in Mannheim plante, entwickelte und verantwortete Nadine Haas als Projektleiterin den Bau und Betrieb einer Seilbahn mit 64 Kabinen, die die beiden Ausstellungsgelände – Spinellipark und Luisenpark – während der BUGA miteinander verband. Die Kabinen waren für zehn Personen ausgelegt, innerhalb von sieben bis acht Minuten konnten so pro Stunde und Richtung bis zu 2.800 Personen transportiert werden.