EIN GASTJAHR AN DER TUM
Doch zurück zum Anfang: Jonathan Veinots Beziehung zur TUM begann vor mehr als einem Jahrzehnt mit einem großen Knall – genauer gesagt mit einem Vulkanausbruch. Jonathan Veinot war damals einer von mehr als 120 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus 16 Ländern, die sich in der Evangelischen Akademie Tutzing trafen, um über die neusten Entwicklungen auf dem Gebiet der kolloidalen Nanopartikel zu sprechen. Am Ende der Tagung brach der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island aus und der Flugverkehr musste in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas für mehrere Tage eingestellt werden. Jonathan Veinot saß fest. „Und was macht ein Silicium-Chemiker, wenn er feststeckt?“, fragt Jonathan Veinot und gibt gleich selbst lachend die Antwort: „Er geht los und sucht andere Silicium-Chemiker.”
Jonathan Veinot wusste, dass an der TUM ein renommierter Experte auf diesem Gebiet arbeitete. Und so klopfte er bei TUM-Professor Bernhard Rieger vom WACKER-Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie an die Tür. „Ich hatte Glück, dass er mich nicht gleich hinauswarf, so unangekündigt, wie ich erschien”, so Jonathan Veinot. Doch die beiden Professoren verstanden sich auf Anhieb prächtig, blieben miteinander in Kontakt, luden sich gegenseitig zu Konferenzen ein und zwei Jahre später kam Jonathan Veinot als Gastwissenschaftler an die TUM für ein Forschungsjahr bei Professor Rieger.
Wenn wir an die Zukunft unserer Disziplin denken, werden unsere jungen Talente den Unterschied machen.
VERTRAUEN UNTER WISSENSCHAFTLERN
Im Laufe seiner Wissenschaftlerkarriere hat Jonathan Veinot schon mit Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt zusammengearbeitet. „Es steht aber außer Frage, dass eine meiner lohnendsten Erfahrungen mein Aufenthalt in Deutschland an der TUM war. Ich glaube der Grund dafür ist, dass wir viel Zeit persönlich miteinander verbringen konnten. Das machte es uns leicht, Vertrauen zueinander aufzubauen“, sagt er.
Diese für ihn so bereichernde Erfahrung wollte Jonathan Veinot auch an seine jungen Talente weitergeben und so entstand die Idee für ein Austauschprogramm für Doktoranden. Die Vision: eine internationale Graduiertenschule, in der Doktoranden in Deutschland und Kanada sich besuchen und gemeinsam an hybriden Werkstoffen, Polymeren und Nanomaterialien forschen können. Bernhard Rieger und Jonathan Veinot schrieben Mails, tätigten Telefonanrufe, klopften an Türen und versammelten am Ende neun Forscherende von der TUM und acht Forschende von der University of Alberta aus den Bereichen Physik, Ingenieurwissenschaften und Chemie an einem Tisch, die bereit waren, sich in dem Programm zu engagieren.
DER NEUGIER EINEN ORT GEBEN
Jonathan Veinot ist mit Leib und Seele Chemiker. Bereits früh in seiner Kindheit begeisterte er sich für den Geruch von Benzin und das regenbogenfarbene Schimmern von Öl auf dem Wasser. Heute treibt ihn die Faszination für Nanopartikel an, die so klein sind, dass sie größenabhängige Eigenschaften haben, die viele Aspekte unseres Alltagslebens revolutionieren können. „Neugier und Faszination brauchen aber immer einen Ort, an dem sie sich entfalten können. Und Universitäten spielen hier die zentrale Rolle“, sagt Jonathan Veinot.
Solche Orte des wissenschaftlichen Austausches zu gestalten und zu beleben, ist dem Chemiker ein wichtiges Anliegen. „In diesem Sinne nehme ich auch meine Rolle als TUM Ambassador sehr ernst“, sagt Jonathan Veinot. Die Auszeichnung erhielt er im Dezember 2015 vom damaligen Präsidenten der TUM. In jedem Jahr werden an der TUM internationale Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler, die die TUM während ihres Aufenthalts mit ihrer wissenschaftlichen Expertise und ihren internationalen Erfahrungen bereichert haben, in dieser Weise geehrt. TUM Ambassadors sind Verbindungsglieder zwischen der TUM und der internationalen akademischen Forschungs- und Industriegemeinschaft.
Jonathan Veinot nimmt diesen Auftrag sehr ernst und macht Werbung für die TUM in Kanada, wann immer es sich ergibt. „Die TUM nennt sich selbst die ‚unternehmerische Universität‘. Und beim Unternehmertum geht es darum, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten“, resümiert Jonathan Veinot. „Ich habe damals nach dem Vulkanausbruch die Initiative ergriffen und dadurch eröffnete sich diese wunderbare Kooperation. Meinen Studierenden sage ich immer, ergreift die Chancen, geht ins Ausland, geht an die TUM. Für mich war es eine lebens- und berufsverändernde Chance, die vor mehr als zehn Jahren begann.“
TUM Ambassador 2015
Dr. Jonathan Veinot ist Professor am Chemie-Department und stellvertretender Dekan MINT-Forschung am College of Natural and Applied Sicences der University of Alberta in Kanada. Aufgewachsen ist er im Süden von Ontario, promoviert wurde er an der York University in Toronto. Im Jahr 2012 kam er nach Deutschland an die TUM und forschte am WACKER-Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie mit Professor Bernhard Rieger. Im selben Jahr wurde er als Experte für Auswirkungen von Nanomaterialien auf die Umwelt zu einem Fachtreffen der OECD nach Berlin eingeladen. Der Ehrentitel TUM Ambassador wurde ihm 2015 vom damaligen Präsidenten der TUM, Wolfgang A. Herrmann, verliehen.
Bis heute sind seine wissenschaftlichen und freundschaftlichen Verbindungen zur TUM ungebrochen. So ist er weiterhin Leiter der Alberta/Technical University of Munich Graduate School for Functional Hybrid Materials (ATUMS). Für seine beeindruckenden Beiträge auf dem Gebiet der Silicium-Nanomaterialien zeichnete ihn die chemische Industrie Bayerns 2016 mit dem Burghausen Chemiepreis aus. Ein Jahr später folgte der Award for Excellence in Materials Chemistry der Canadian Chemical Society.