Doch damit nicht genug: „Mein Ziel war es, einen exzellenten Wein zu machen, der authentisch ist, der für seine Region steht, für den Boden, für das Klima, für die Menschen.“ Das ist ihm gelungen. Das älteste Weingut Sachsens produziert wieder erstklassige Weine und erstrahlt in neuem Glanz, doch der Weg dorthin war schwer.
Komplexer Wiederaufbau
Das Land war heruntergewirtschaftet, das Schloss verfallen und zudem stand beides nicht zum Verkauf. Doch Georg Prinz zur Lippe gab nicht auf. Er nahm einen Kredit auf seine Münchner Wohnung auf, arbeitete als freier Berater und kaufte zunächst nur die Reben des Weinbergs. Damit begann die Wiedergeburt des Schlosses und des Weinguts.
Das erste Jahr pendelte er zwischen München und Meißen und zog schließlich 1991 mit einer ganzen Reihe Fragen im Gepäck um. Denn zu diesem Zeitpunkt war noch völlig unklar, ob die Weine Abnehmer finden würden, ob die Finanzierung klappen und ob der Wein gut ankommen würde. „Ich habe mit ganz, ganz, ganz vielen Fragezeichen angefangen und ich würde sagen, die Fragezeichen sind bis heute nicht weniger geworden. Es tun sich immer wieder neue auf.“
Weihenstephan und die ganze Welt
Doch Prinz zur Lippe hat ein Faible für komplexe Dinge und ist neben der Arbeit an Schloss und Weingut unter anderem Professor und Unternehmensberater. Die ganze Region, die seine Heimat geworden ist, liegt ihm sehr am Herzen: „Ich versuche hier auch in vielen Aktivitäten neben dem Weinbau Dinge zu bewegen. Es sind viele, viele, kleine, spannende Baustellen, die letztendlich, wie bei einem Adventskalender, eigentlich jeden Tag ein neues Türchen aufgehen lassen, und das finde ich schön.“
Auch ins Ausland zieht es ihn regelmäßig. „Ich bin immer neugierig, Neues zu erleben und Neues zu verstehen. Darin liegt so viel Kraft und Potential, wenn man den Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe begegnet, das Wahrnehmen in den Vordergrund stellt. Wenn man einfach mal zuhört, dann kann man unglaublich viel für sich aufnehmen. Für mich ist das nach wie vor ein Lebenselixier pur.“
Genauso kommt auch Prinz zur Lippe immer wieder gerne nach München zurück. „Meine Verbindung nach Bayern ist schon noch stark. Und spätestens, wenn ich bayerisch höre, freu ich mich auch wieder, weil mir halt alles sehr bekannt vorkommt.“
An sein Studium in Weihenstephan denkt er gerne zurück. Nach wie vor finden Treffen und gemeinsame Ausflüge der ehemaligen Weihenstephaner im Dresdner Raum statt, zu zweien hält der Prinz regen Kontakt. „Was ich möchte: Ich möchte natürlich auch ein bisschen von dem zurückgeben, was ich selbst an Ausbildung geschenkt bekommen habe. Und ich möchte auch für meine Region hier, in der ich jetzt lebe, ein Kulturgut erhalten und an die nächste Generation übergeben.“
Ich glaube, dass Dinge, die authentisch sind, mehr oder weniger immer selbsterklärend sind.
„Im Verhältnis zu den Menschen hat sich viel geändert. Anfangs war ich ja sozusagen der Inbegriff des Klassenfeindes – ein Prinz, ein Unternehmer: Um Gottes willen! – und heute ist das einfach eine völlige Normalität, ich bin der Nachbar von nebenan, und man freut sich und wird zum Grillen eingeladen, und das ist einfach sehr, sehr normal und freundschaftlich geworden.“
Er selbst wohnt mit seiner Familie auch nicht im Schloss, sondern im Gärtnerhaus. Genießen kann er den Flair aber schon: „Manchmal setze ich mich abends vor den Kamin im Schloss, schüre den richtig an, hole einen schönen Rotwein raus, gucke in den Kamin und fühle mich dann wie ein kleiner Schlossherr.“
Auf Dauer soll möglichst viel von dem Gutshof in Zadel, das die Weinproduktion beherbergt, nach Proschwitz zurückgebracht werden, wo der Ursprung des Weingutes liegt. „Ich glaube, dass Dinge, die authentisch sind, mehr oder weniger immer selbsterklärend sind. Die Gedanken, die sich andere vor Jahrhunderten gemacht haben, die kann man immer wieder erspüren, und das ist letztendlich Authentizität des Ortes.“ Drei sehr schöne historische Keller, die man gut nutzen kann, warten nur darauf, dass der Wein zurückkommt.
Und sobald Prinz zur Lippe über seine Weine spricht, erkennt man die Leidenschaft, die dahinter steht. Er beschreibt den Proschwitzer Wein als Lindenblatt: mit feiner Säurespitze, weiteren kleinen Aromaspitzen und insgesamt rund. „Wenn man erstmal erkannt hat, was für einen Schatz man da hat, dann macht es natürlich noch viel mehr Spaß, diesen Schatz zu pflegen und ihn so zu erklären, dass auch andere Menschen das wahrnehmen können und für sich als Genuss empfinden.“ Neben Klassikern wie Grauem Burgunder und Riesling baut der Prinz auch seltenere Rebsorten an. Etwa den Elbling, eine der ältesten kultivierten Weißweinreben Europas oder den Goldriesling – eine sächsische Rarität, die deutschlandweit nur auf 16 Hektar wächst.
Und besonders stolz ist Prinz zur Lippe auf die Geschichte des Weinguts. Einer der Weinberge wurde in der Gründungsurkunde der Stadt Freiberg erwähnt und feiert damit am 11. Juni diesen Jahres sein 800jähriges Bestehen. „Das muss man erstmal einem Weingut nachweisen können, das ist schon phänomenal. Wir haben mehrere Weinberge, die schon vor über 800 Jahren urkundlich erwähnt wurden. Und man spürt, dass da viel Geschichte dahinter steckt.“ Diese lange Tradition kommt auch dem Wein zugute: „Qualität geht über alles. Die Größe des Weinguts spielt keine Rolle.“
Diplom Agrarwissenschaften 1985, Promotion 1991
Seine größte Herausforderung war es bisher, viele verschiedene Dinge zu vereinbaren. Neben der Arbeit an Schloss und Weingut war er über 20 Jahre lang Honorarkonsul für das Königreich der Niederlande in Sachsen. In dieser Funktion betreute er den Erasmusaustausch für Studierende und schuf Kooperationen mit niederländischen Universitäten, entwickelte ein MBA-Programm und setzt sich für die MINT-Wissenschaften und MINT-Berufe ein.
Außerdem hat er seit einigen Jahren einen Lehrauftrag als Honorarprofessor an der TU Bergakademie Freiberg und arbeitet sehr erfolgreich als Unternehmensberater. Heute sitzt er zudem in verschiedenen Beiräten und Aufsichtsräten, v.a. bei Unternehmen, für die er als Berater tätig war.
Darüber hinaus ist er – wie schon sein Großvater – Domherr im Dom zu Meißen. Diese verschiedenen Dinge parallel zu machen, bereitet ihm viel Freude. Auch weil vieles ineinander fließt. Das Weingut dient z.B. regelmäßig als case study in seinen Lehrveranstaltungen an der Universität. „Und trotzdem versuche ich alles etwas zu reduzieren, weil ich auch einfach mal ab und zu einen freien Kopf brauche und für meine Familie da sein möchte.“