Alumni international
Der Präsident in Singapur
„Echter Fortschritt entsteht nur, wenn unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen“
Herr Präsident, vor kurzem waren Sie bei TUM Asia, dem Campus der TUM in Singapur. Wie wichtig sind solche Termine für Sie?
Ich versuche regelmäßig an allen unseren Standorten zu sein. Bei TUM Asia in Singapur bin ich mindestens einmal im Jahr. Der ungeschminkte Eindruck vor Ort, die persönlichen Begegnungen mit den Kolleginnen und Kollegen, den Partnern, unseren Studierenden und Alumni – das ist für mich sehr wichtig. Ich erlebe direkt, wie es vor Ort läuft, wo es Herausforderungen und Chancen gibt – das ist eine ganz andere Erfahrung, als nur davon zu lesen oder zu hören. Ich muss Ihnen sagen: Das ist für mich auch persönlich bereichernd. Dieses Mal durfte ich zum Beispiel am jährlichen Alumni-Treffen in Singapur teilnehmen. Was für ein wunderbares Event auf dem Dachgarten bei TUM CREATE mit einem grandiosen Blick über die Skyline Singapurs. Und die vielen guten Gespräche mit unseren Absolventinnen und Absolventen. Unvergesslich.
Worüber haben Sie sich mit den Alumni unterhalten?
Es ging natürlich um die Erfahrungen und Erlebnisse während des Studiums bei TUM Asia, aber auch um die weiteren Karrierewege der Alumni. Viele sind weiterhin in Singapur tätig. Interessanterweise oft bei deutschen Unternehmen, die einen Sitz vor Ort haben. Beeindruckt hat mich, wie stark die Verbindung der Absolventinnen und Absolventen, die in Singapur studiert haben, nicht nur zum TUM Asia Campus, sondern auch zur TUM generell ist. Sie sind stolz auf ihre Heimatuniversität in Deutschland. Und das wiederrum macht mich glücklich (lacht).
Worauf sind die Alumni denn so stolz?
Ich hatte den Eindruck, für viele ist entscheidend, dass die TUM in so vielen gesellschaftlich relevanten Handlungsfeldern wie Nachhaltigkeit oder Künstliche Intelligenz wegweisend vorausschreitet und in der Forschung und Lehre Spitzenklasse ist. Ihnen ist wichtig, dass die TUM im internationalen Wettbewerb weiter an Reputation zulegt und dass sie als Alumni zum guten Ruf der TUM beitragen können. Auch nach Ende des Studiums fühlen sich unsere Alumni weiterhin zur TUM Familie zugehörig und das konnte ich bei dieser Veranstaltung deutlich spüren. Übrigens ist auch der neue Botschafter Singapurs in Deutschland ein stolzer TUM Alumnus.
Tatsächlich?
Ja. Der designierte Botschafter Chong Hock Lee kam zum Alumni-Treffen, das hat mich außerordentlich gefreut. Er hat an der TUM 2001 sein Diplom in Maschinenwesen gemacht. Ich habe mich lange mit ihm über seine Zeit an der TUM unterhalten, die er in bester Erinnerung hat. Sein Studium in München hat er sehr genossen. Er ist beeindruckt, wie die TUM sich seit damals entwickelt hat und stolz auf seine Alma Mater. Ab August ist er der neue Botschafter Singapurs in Deutschland und wird in Berlin stationiert sein. Er hat mir versprochen, dass er dann bald an die TUM kommt. Vielleicht können wir einen Austausch organisieren mit Alumni und Studierenden. Wie ich eben sagte: Die TUM Familie findet immer wieder zusammen.
Kreativität entsteht immer dann, wenn nicht alle aus demselben Stall kommen, sondern ein jeder ein wenig anders tickt und denkt.
Warum hat die TUM eigentlich ausgerechnet einen Campus in Singapur?
Singapur ist ein Standort, der internationaler nicht sein könnte. Er liegt in Asien, aber am Tor zum Westen und zieht damit aus allen Regionen der Welt Talente an. Für die TUM genau der richtige Standort. Einerseits um fähigen Nachwuchs auszubilden. Wir brauchen junge Menschen, die in der Lage sind, auf dem globalen Arbeitsmarkt zu agieren und in einer zunehmend vernetzten Welt unsere Zukunft zu gestalten. Andererseits gewinnen wir durch den Campus in Singapur aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für unsere Forschungs- und Innovationsarbeiten. Unsere Forschungsplattform in Singapur heißt TUM CREATE. Dort arbeiten wir mit Partneruniversitäten, öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen zusammen, um neue zukunftsweisende Technologien zu entwickeln.
Zum Beispiel?
Unser jüngstes Programm heißt Proteins4Singapore. Hier geht es um nicht weniger als eine Revolution in der Lebensmittelherstellung. Singapur hat sich zum Ziel gesetzt bis 2030 ein Drittel seiner Nahrungsmittel selbst herzustellen statt zu importieren. Weil die Agrarflächen vor Ort begrenzt sind, wird insbesondere erforscht, wie man proteinhaltige Lebensmittel mit geringem Platzverbrach und zum Beispiel durch biotechnologische Verfahren oder Indoor-Farming herstellen kann.
Und warum ist das für uns in Deutschland wichtig?
Das Projekt ist von weltweiter Bedeutung. Die Vereinten Nationen haben prognostiziert, dass es in wenigen Jahren viele Megastädte mit mehr als 10 Millionen Menschen geben wird. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wird dann in städtischen Gebieten leben. Parallel dazu prognostizieren Expertinnen und Experten bis 2050 einen Anstieg der erforderlichen Lebensmittelproduktion um 60 Prozent. In Singapur entwickeln wir also Strategien, wie wir die Menschheit der Zukunft auf nachhaltige Weise ernähren können.
Als Präsident der TUM fördern Sie den internationalen Austausch in der Wissenschaft. Woher kommt Ihr Engagement?
Als junger Wissenschaftler bin ich früh schon auf internationale Symposien gefahren. Meinen ersten internationalen Vortrag habe ich 1995 in London gehalten. Das war direkt nach der Promotion. Danach war ich mehrfach pro Jahr auf internationalen Tagungen, vor allem in den USA, und habe mir da ein persönliches Netzwerk aufgebaut. Durch die Vorträge und internationalen Aufenthalte wurde das Labor in München immer bekannter, und wir hatten viele internationale Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs, die gerne zu uns kamen.
Haben Sie dadurch Input bekommen für die eigene Forschungsarbeit?
Ja, unbedingt. Wir hatten einmal in der Woche einen Round-Table. Verschiedene junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dort ihre Arbeiten präsentiert. Die Zuhörerinnen und Zuhörer haben sich alles angehört und dann Peer-Reviewer gespielt (lacht). Was auf jeden Fall passiert ist: Dadurch, dass unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen auf das Problem geschaut haben, wurden neue Aspekte des eigenen Projekts deutlich, denen man vorher keine oder nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Meinen Horizont hat das maßgeblich erweitert und meine Forschung wirklich vorangebracht. Echter Fortschritt – das habe ich damals gelernt – kann nur entstehen, wenn man aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein Problem schaut. Kreativität entsteht immer dann, wenn nicht alle aus demselben Stall kommen, sondern jeder ein wenig anders tickt und denkt. Auch heute noch hole ich mir gerne Rat von internationalen Kolleginnen und Kollegen.
Wer ist das zum Beispiel?
Eine wichtige Gruppe für mich sind unsere TUM Ambassadors. Sie sind internationale Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die bereits für eine gewisse Zeit an der TUM als Gast geforscht haben. Das bedeutet, sie kennen unsere Universität, wissen wofür wir stehen, was wir erreichen wollen und in welchen Gebieten wir Weltklasse sind. Für mich sind die Ambassadors wichtige wissenschaftliche Beraterinnen und Berater, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative oder bei andere großen wettbewerblichen Programmen. Da bespreche ich mich gerne mit den internationalen Kolleginnen und Kollegen und frage nach deren Meinung. Gerade größere Herausforderungen sollten wir immer mit vielfältigen und internationalen Teams angehen.
Damit Technologien und neue Denkansätze ihre Kraft entfalten, müssen sie global und schleunigst zum Einsatz kommen.
Legt die TUM deshalb so großen Wert auf eine internationale Universitätsgemeinschaft?
Ich möchte, dass unsere Studierenden so früh wie möglich erleben, wie wichtig ein gedanken- und weltoffener Austausch ist, in dem verschiedene Perspektiven eine Rolle spielen. Wir wollen die jungen Leute zu fähigen Denkerinnen, Machern und Reformerinnen ausbilden, die als Führungspersönlichkeiten unser gesellschaftliches Zusammenleben gestalten können. Wenn sie die TUM mit einem Masterabschluss oder einer Promotion verlassen, werden sie in Wirtschaft und Wissenschaft recht bald ihre eigenen Teams zusammenstellen. Ich möchte, dass sie dabei daran denken, wie zentral Diversität für ein Projekt ist. Wir wollen außerdem, dass unsere Studierenden als zukünftige Arbeitskräfte gesellschaftlich verantwortlich handeln und dafür müssen sie die Welt als Ganzes im Blick behalten. Es hilft dabei ungemein, wenn Sie während des Studiums schon ein Gespür für die Welt als Gemeinschaft bekommen.
Und wie macht die TUM das?
Eine internationale Universitätsgemeinschaft hier vor Ort an unseren TUM Standorten ist wichtig. Wir legen aber auch großen Wert darauf, dass unsere Studierenden vielfältige Möglichkeiten haben während des Studiums für ein Praktikum oder ein Auslandssemester in einem anderen Land zu arbeiten oder zu studieren. Oder als Doktorandin oder Doktorand woanders zu forschen. Zahlreiche Studierende und Promovierende schicken wir jedes Semester in die Welt hinaus. Viele kommen geradezu wachgerüttelt und mit vielen neuen Ideen zurück. Das ist wirklich toll zu erleben. Eine große Rolle spielen unsere TUM-Büros in Brüssel, Mumbai, Beijing, São Paulo und San Francisco sowie der TUM Asia Campus in Singapur. Sie sind Knotenpunkte in der Welt, die mit den Studierenden und Alumni vor Ort, aber auch Unternehmen und Partnerorganisationen in Verbindung stehen. Und auf diese Weise erweitern sie die Reichweite der TUM und unserer Angebote hinaus in die Welt. Die Welt wartet nicht auf Deutschland. Wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir die Welt umarmen.
Was meinen Sie damit?
Die globalen Herausforderungen, die wir auf der Welt haben, können wir nicht durch Insellösungen oder regionale Lösungen bewältigen. Damit Technologien und neue Denkansätze ihre Kraft entfalten, müssen sie global und schleunigst zum Einsatz kommen. Unsere Studierenden, Forscherinnen und Forscher und Alumni müssen gesellschaftlich und politisch Einfluss nehmen auf Themen wie beispielsweise Nachhaltigkeit. Sie müssen die richtigen Entscheidungen treffen, die passenden Technologien und Lösungen mitbringen, neue Wertevorstellungen vermitteln, um dann dort vor Ort einen echten Unterschied machen zu können. Und das wird uns am Ende allen zu Gute kommen.
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