Thomas F. Hofmann: Ja, Frustrationstoleranz ist eine ganz wichtige Eigenschaft für erfolgreiche Wissenschafts- wie Gründertalente. Die einfachen Wege sind meistens schon von anderen „ausgetrampelt“. Echte Pioniere begeben sich hingegen auf unkartiertes Terrain mit all seinen Höhen und Tiefen. Erfolg und Innovation entspringen, wenn wir dem Neuen eine Chance geben und dabei immer wieder alternative Ansätze erproben, auch wenn viele davon vielleicht nicht auf Anhieb funktionieren. Neben fachlicher Kompetenz und Kreativität brauchen wahre Erfinder, Entdecker und Innovatoren deshalb eine gesunde Portion Frustrationstoleranz, und statt der Angst vor dem Scheitern lernen sie aus ihren Fehlern.
Thomas F. Hofmann: Das kann ich nur unterstreichen. Richtig gute Ideen und potentialreiche Ansätze fallen nur selten vom Himmel. Zunehmend materialisieren diese an den Grenzflächen der Disziplinen durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Kenntnisse, Werkzeuge und Arbeitsmethoden, und insbesondere dann, wenn die „Chemie“ zwischen den Teammitgliedern stimmt.
Bastian Nominacher: Das Netzwerk spielt eine große Rolle. Es war gut, dass wir viele Mentorinnen und Mentoren an der TUM hatten, mit denen wir uns austauschen konnten, wenn es Rückschläge oder neue Herausforderungen gab.
Thomas F. Hofmann: Grundlage dazu ist es, Spitzenwissenschaft zu fördern, denn aus exzellenter Forschung entspringen ständig neue Ansätze für geistreiche Gründer. Dann gilt es, die jungen Talente entlang des gesamten Gründungsprozesses bis hin zur Wachstumsphase kraftvoll zu unterstützen, was wir gemeinsam mit unserem An-Institut UnternehmerTUM sehr systematisch und mit großer Leidenschaft tun. Mit unseren Ausgründungen fördern wir den Transfer von Technologien oder Dienstleistungen aus unseren Laboren, Denk- und Werkstätten in wirtschaftliche oder gesellschaftlich relevante Anwendungen.
Bastian Nominacher: In München haben wir gerade durch die Gründungsförderung der TUM ein sehr starkes Ökosystem. Hier kann ich von anderen Gründerinnen und Gründern lernen und mich austauschen. Ich muss nicht jeden Fehler, den jemand schon einmal gemacht hat, noch einmal machen. Und an der Universität lernen wir, wie wir ein Problem anpacken müssen.
Thomas F. Hofmann: Im Zentrum der Ausbildung stehen methodische Kompetenzen. Diese sind eine Konstante, auf die man sein Leben zurückgreifen kann. Fachliches Detailwissen ändert sich, wird überholt und ständig erneuert – im Zeiten technologischer Sprunginnovationen in nur wenigen Jahren. Wer aber analytisch denken und methodisch arbeiten gelernt hat, der kann diese ein Leben lang wirksam zur Anwendung bringen. Das gilt für eine Spitzenwissenschaftlerin ebenso wie für ein Vorstandsmitglied oder eine Gründerin oder einen Gründer.
Erfolg und Innovation entstehen, wenn wir dem Neuen eine Chance geben.
Bastian Nominacher: Ich tausche mich gerne mit anderen Unternehmen oder in meinem Netzwerk aus. Gerade letztes Wochenende haben wir überlegt, wie wir einen neuen Markt erschließen können und waren ein bisschen festgefahren. Wir haben uns mit jemanden aus unserem Advisory Board unterhalten und eine neue Perspektive eingenommen. Am Ende dachte ich mir: Da hättest du doch selbst draufkommen können (lacht).
Thomas F. Hofmann: Viele Jungunternehmer denken zu früh daran, ihr Unternehmen zu veräußern. Haben Sie schon einmal daran gedacht, ihre Anteile am Unternehmen zu verkaufen?
Bastian Nominacher: Nein. Wir haben nicht den Plan, zu verkaufen. Mich persönlich treibt an, dass wir hier bei Celonis die Chance haben, eines der größten und wichtigsten Technologieunternehmen weltweit aufzubauen. Das ist spannend, das macht uns Spaß und deshalb sind wir nach wie vor mit Begeisterung dabei.
Thomas F. Hofmann: Das ist eine tolle Einstellung und sollte Vorbild für andere sein. Genau diese Einstellung braucht unser Wirtschaftsstandort Deutschland, weil auf diese Weise Unternehmen entstehen, die natürlich global aktiv sind, aber hier in Deutschland neue Arbeitsplätze schaffen und Exportkraft sichern.
Bastian Nominacher: Es heißt, dass ungefähr eines von 100.000 Start-ups ein Unicorn wird. Das bedeutet auch, dass die anderen 99.999 keine Unicorns werden. Wir werden oft gefragt, warum wir so erfolgreich sind. Ich denke, es liegt an unserer Leidenschaft für die Sache. Allein auf einen lukrativen Verkauf zu schielen, ist wahrscheinlich kein guter Grund, um ein Unternehmen zu gründen.
Thomas F. Hofmann: Wenn man eine wegweisende Technologie entwickelt hat, dann muss das doch für einen die größte Motivation sein. Das Unternehmen wachsen und gedeihen zu sehen. Gilt übrigens auch für meine Arbeit als Präsident: Ich tue alles, dass die TUM noch erfolgreicher wird. Erfolg lässt sich dabei nicht immer nur an Zahlen messen, an Publikationen, Patenten oder Start-ups. Mir ist ebenso wichtig ist, dass die Universität nicht ein isolierter Elfenbeinturm der Spitzenklasse ist, sondern ein integraler Partner der Gesellschaft wird, mit der Zeit geht und als Katalysator wirkt für verantwortungsvolle, vertrauenswürdige und gesellschaftsfähige Innovationen. Nur dann können wir eine Entkopplung der Wissenschaft von den Bedürfnissen und Werten unserer Gesellschaft verhindern. Das motiviert mich als Präsident. Und wenn es nicht so wäre, dann würde ich es wohl besser lassen.