IN MEMORIAM: TUM Ehrensenator und Universitätsstifter Gallus Rehm
„Ich bin der TUM aus Überzeugung dankbar“
FASZINATION FÜR NEUE WEGE
Gallus Rehms großer Lehrmeister an der TUM war Professor Hubert Rüsch, der damalige Inhaber des Lehrstuhls für Massivbau. Er war ein passionierter Verfechter neuer Ideen für Forschungsziele und Lehrmethoden, die für die Ausbildung junger Ingenieure und den Wiederaufbau des Landes von Nutzen sein sollten. Als Student, Hilfsassistent und vierzehn Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde Gallus Rehm von seinem Mentor mit der Lösung neuartiger bautechnischer Probleme und ingenieurwissenschaftlicher Herausforderungen betraut.
An der TUM habe ich das Fundament für meine gesamte wissenschaftliche und praktische Tätigkeit erhalten.
MUT FÜR RISKANTE IDEEN
Zeitlebens bewahrte sich Gallus Rehm seine Neugier und seine Faszination für die Baustoffkunde gleichermaßen wie für die praktische Ingenieurstätigkeit. Mutig und auch gegen allen Widerstand beschritt er neue Pfade. Die Fachwelt konnte er durch sein Kommunikationsgeschick auch von riskanten Lösungen überzeugen. Das Ingenieurbüro Obermeyer entwickelte das zukunftsweisende Verkehrsbauwerk Karlsplatz-Stachus im Zentrum Münchens. Gallus Rehms Beitrag war eine wirtschaftlich herstellbare und sicher einbringbare Bewehrung. Diese verhalf zum Durchbruch der dabei erstmals eingesetzten Deckelbauweise, dem Bauen von oben nach unten.
Bei manchen ist Gallus Rehms gewagte Maßnahme noch heute umstritten. Anderen gilt sie als ingenieurtechnische Meisterleistung, für die er 2019 von Reinhard Kardinal Marx mit dem Päpstlichen Orden „Benemerenti“ ausgezeichnet wurde. „Natürlich freut mich diese späte Anerkennung“, sagte Gallus Rehm. „Aber im Wohnzimmer habe ich den Orden nicht aufgehängt.“
ÜBERZEUGTER EINSATZ FÜR DIE MENSCHEN
Gallus Rehm war ein Macher, nicht einer, der nach Anerkennung heischt und sich gerne mit den Auszeichnungen für seine bedeutenden Verdienste schmückt. Wie sein beruflicher Erfolg auf einer grundlegenden Faszination für sein Gebiet gründete, so basierte sein anhaltendes ehrenamtliches und mäzenatisches Engagement auf der tiefen Überzeugung, sich für seine Mitmenschen einsetzen zu wollen. Trotz erheblicher Arbeitsbelastung setzte sich Gallus Rehm, in den Kriegswirren einst selbst aus Ungarn vertrieben, jahrzehntelang in der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn für Aussöhnung und Völkerverständigung ein. Ganz ohne politischen Druck gelang ihm dies durch sein Kommunikationsgeschick, eine von vielen Fähigkeiten, die er von seinem Mentor Hubert Rüsch schon an der TUM lernte.
Es wundert nicht, dass Gallus Rehm sich viele Jahren ebenso überzeugt für seine Alma Mater engagierte. „Vierzehn Jahre an der TUM binden und verbinden selbstverständlich“, beteuerte er noch 2019. „Ich fühle mich hier noch heute sehr wohl und habe mit vielen Kollegen immer noch freundschaftlichen Kontakt.“ Als 2010 die gemeinnützige TUM Universitätsstiftung ins Leben gerufen wurde, um mit heute über 50 Millionen Euro Stiftungskapital die besten Talente zu fördern, gesellschaftlich relevante Forschungsthemen voranzubringen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, war Gallus Rehm unter den Gründungsstiftern. In die Bildung junger Menschen investierte er zudem als privater Spender der Deutschlandstipendien der TUM.
2018 wurde ihm für seine Leistungen und sein Engagement die höchste Ehrung für verdiente Alumni der TUM zuteil: Die Ernennung zum Ehrensenator. „Ich war ein Leben lang ein eifriger und begeisterter Arbeiter“, sagte Gallus Rehm. „Ich bedaure fast, so alt geworden zu sein, dass ich nun nicht mehr arbeiten kann. Aber ich trage es mit Haltung – endlich habe ich Zeit zum Lesen und Musik hören.“
Prof. Dr. Gallus Rehm
Diplom Bauingenieurwesen 1951, Promotion 1958
Gallus Rehm studierte von 1947 bis 1951 Bauingenieurwesen an der TUM und promovierte mit einer ingenieurwissenschaftlichen Experimentalarbeit am Materialprüfungsamt für das Bauwesen der TUM. Von 1968 bis 1973 leitete er das Institut für Baustoffkunde und Stahlbetonbau der TU Braunschweig, dann den Lehrstuhl für Werkstoffe im Bauwesen an der Universität Stuttgart, wo er in den Jahren 1973 bis 1990 auch die Direktorenposition der renommierten Materialprüfungsanstalt, dem Otto-Graf-Institut bekleidete. Noch heute besucht Gallus Rehm ab und an die international anerkannte und tätige Prüfstelle für Betonstahl, die er 1965 in München gegründet hat.
Zeitlebens war Gallus Rehm auch ehrenamtlich und mäzenatisch tätig. Jahrzehntelang engagierte er sich als Bundesvorsitzender, dann geschäftsführender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn. Seine Alma Mater unterstützte er als Gründungsstifter der TUM Universitätsstiftung. 2018 wurde ihm durch den damaligen TUM-Präsidenten Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann die Ehrensenatorwürde verliehen. Seit 1978 würdigt die TUM mit dem Titel Persönlichkeiten, die sich durch langjähriges Engagement um die Zukunftsentwicklung der Universität verdient gemacht haben.
Im August 2020 ist Gallus Rehm im Alter von 95 Jahren verstorben.